Aktuelle Meldungen
Stiftung Männergesundheit veröffentlicht 6. Männergesundheitsbericht Gewalt gegen Jungen und Männer – ein übersehenes Gesundheitsrisiko
Gewalt ist eines der größten Gesundheitsrisiken unserer Gesellschaft – auch für Jungen und Männer. Doch ihre Betroffenheit bleibt weitgehend unsichtbar. Der am 19.11.2025 von der Stiftung Männergesundheit veröffentlichte 6. Männergesundheitsbericht widmet sich deshalb einem langen vernachlässigten Thema: den Gewalterfahrungen von Jungen und Männern und deren gesundheitlichen Folgen.
„Gewalt macht krank – körperlich, psychisch und sozial. Doch wenn Jungen oder Männer Opfer werden, wird das selten gesehen, kaum erforscht und noch seltener thematisiert“, sagt Olaf Theuerkauf, Vorstand der Stiftung Männergesundheit. „Unser Ziel ist es, diese Unsichtbarkeit zu durchbrechen. Gewaltbetroffenheit ist keine Frage des Geschlechts, sondern ein Menschheitsthema.“
Der Bericht zeigt: Gewalt begegnet Jungen und Männern in fast allen Lebensbereichen – in der Familie, im Sport, in der Schule, in Institutionen wie Kirche, Jugendhilfe oder Strafvollzug, aber auch in digitalen Räumen, in Militär und Polizei oder im Alter. Viele der Beiträge verdeutlichen, dass Gewalterfahrungen nicht nur Verletzungen hinterlassen, sondern lebenslange gesundheitliche Folgen nach sich ziehen – von Depressionen und Suchterkrankungen über Herz-Kreislauf-Leiden bis hin zu erhöhter Suizidalität.
„Gewalt schädigt die Gesundheit aller Betroffenen und die gesamte Gesellschaft. Sie ist ein vorrangiges Public-Health-Problem. Gesellschaftlich wahrgenommen wird vor allem die Täterschaft von Männern. Der männlichen Verletzbarkeit begegnet man mit kultureller Ignoranz: Forschung und offizielle Berichte zu männlichen Gewalterfahrungen sind unzureichend.“, betont Prof. Dr. Martin Dinges, Mitherausgeber des Berichts. „Tatsächlich belegen repräsentative Studien eine gleiche und oft höhere Gewaltbetroffenheit von Jungen z. B. in der Familie, im Sport und bei Missbrauch in kirchlichen Zusammenhängen; als erwachsene Männer z. B. im öffentlichen Raum, in Blaulichtberufen, als Wohnungslose oder als Pflegebedürftige.“
Ein zentrales Motiv, das sich durch viele Beiträge zieht, ist die männliche Sprachlosigkeit nach Gewalterfahrungen. Das tradierte Bild des „starken, unverwundbaren Mannes“ verhindert vielfach, dass Jungen und Männer über erlebte Gewalt sprechen oder Hilfe suchen. „Sich verletzlich zu zeigen, gilt für viele Männer als unmännlich. Dieses Schweigen ist Teil des Problems – und zugleich eine Folge patriarchaler Männlichkeitsnormen“, so Dinges.
Der Bericht macht deutlich, dass gesellschaftliche Stereotype nicht nur die Wahrnehmung, sondern auch die Versorgung beeinflussen. Gewalterfahrungen bleiben in der medizinischen und psychotherapeutischen Praxis häufig unerkannt. „Gewalt ist auch für Männer ein schwerwiegendes Gesundheitsrisiko mit ernsthaften und weitreichenden Folgeschäden über die gesamte Lebensspanne. Viktimisierung in der Kindheit führt nicht nur zu direkten psychischen, kognitiven, körperlichen und sozialen Folgeschäden, sondern ist häufig Ausgangspunkt für die Entwicklung klinisch relevanter körperlicher und psychischer Erkrankungen im Erwachsenenalter, die wiederum gesundheitsschädliches Bewältigungsverhalten fördern, insbesondere bei Männern.“, sagt Prof. Dr. Anne Maria Möller-Leimkühler, Mitherausgeberin des 6. Männergesundheitsbericht. „Auch die defizitäre Versorgungslage gewaltgeschädigter Männer, die nicht zuletzt Ausdruck verbreiteter gesellschaftlicher Stereotype ist – Männer sind keine Opfer, oder sie sind keine Männer –, trägt durch Unter- und Fehlversorgung zu weiterer Chronifizierung und Komorbidität bei.“
Mit dem 6. Männergesundheitsbericht legt die Stiftung Männergesundheit ein Werk vor, das Wissenschaft, Politik und Praxis gleichermaßen herausfordert. Es fordert ein neues gesellschaftliches Bewusstsein für männliche Verletzbarkeit – und die Erkenntnis, dass Prävention, Versorgung und Schutz nur wirksam sind, wenn sie alle Geschlechter mitdenken.
„Wer Gewalt erfährt, hat Anspruch auf Schutz, Heilung und Solidarität.“, fasst Olaf Theuerkauf zusammen. „Dieser Bericht ist ein Weckruf an eine Gesellschaft, die männliches Leid noch immer übersieht.“
--> zu weiteren Details und zur Bestellung des neuen Männergesundheitsberichts.
Zitiert nach einer Meldung der Stiftung Männergesundheit.